Leben mit Behinderung in Tansania


In meinem heutigen Blog möchte ich Euch einige Informationen geben, wie Menschen mit Behinderungen in Tansania leben. Dabei habe ich meine Informationen und die beschriebenen Erfahrungen und Beispiele aus Gesprächen mit meinen Lehrern an der Gehörlosenschule erhalten.


Ein Leben, abgeschnitten von der Außenwelt. Im Haus versteckt.
Unvorstellbar?


Für einige Kinder mit Behinderung der bittere Alltag.

Noch immer werden in Tansania viele behinderte Menschen versteckt.  Ein Lehrer meiner Schule war nun etwa einen Monat unterwegs, um eben solche Kinder zu finden und die Eltern über Fördermöglichkeiten aufzuklären.


Es gibt viele Gründe, warum Kinder mit Behinderung versteckt werden, doch die wichtigsten sind:

  • Der Glaube an höhere Mächte: Der Glaube an Hexerei o.ä. ist hier in Tansania tief verwurzelt. Daher ist es nicht ungewöhnlich, wenn die Familie das behinderte Kind als verhext ansieht, oder als Strafe für begangene Fehler.
  • Angst: Besonders in den kleineren Dörfern fürchtet sich die Familie davor, wie die Dorfgemeinschaft auf das behinderte Kind reagiert. Viele Eltern schämen sich und haben Angst, dass die Gemeinde das Kind und die ganze Familie ausgrenzen. Dadurch kann das Ansehen der betroffenen Familie schnell sinken. Mein Lehrer hat mir von einer Mutter erzählt, die Angst vor der Ermordung ihres Kindes hatte, da die Behinderung als böses Omen für das gesamte Dorf angesehen wird. Ein Lehrer unserer Schule hat von einigen teilweise unglaublichen Erfahrungen berichtet. Er ist beispielsweise auf ein behindertes Mädchen gestoßen, welches ihr komplettes bisheriges Leben in ihrem Zimmer verbracht hat. Zehn Jahre, ohne ein einziges Mal aus dem Haus gekommen zu sein. Sie hat ihre Zeit einfach auf einer Matratze abgesessen. So etwas ist für mich unvorstellbar, aber leider Realität.
  • Überforderung: Letztendlich sind einige Familien mit der ganzen Situation auch einfach überfordert. Es fehlt an Geld und Zeit, um das Kind zu fördern. Die Kinder in Tansania fangen oft früh an, im Haus zu helfen. Besonders die Mädchen arbeiten schon zeitig mit. Jeder muss sich um seine Arbeit kümmern, da ist ein pflegebedürftiges Kind oft nur im Weg. Die beiden anderen Mitfreiwilligen hier in Singida haben in ihrem Projekt eine Behindertenklasse. In diese geht auch ein etwa zehnjähriger Junge, ich nenne ihn hier einfach Tom. Da Toms Mutter ihn nicht haben wollte, hat ihn seine Großmutter aufgenommen. Diese ist jedoch schon sehr alt und war mit Tom total überfordert. Tom ist sehr kuschelbedürftig und hat seinen eigenen Willen. Da seine Großmutter nicht wollte, dass er wegläuft oder sich verletzt, hat sie ihn an einen Stein angebunden. Als er von unserem Lehrer gefunden wurde, hatte er daher auch Probleme mit dem Laufen. Mittlerweile geht Tom in die Behindertenklasse und wirkt fast immer glücklich. Er hat laufen gelernt und freut sich über Kleinigkeiten. Auch seine Großmutter scheint glücklich zu sein, dass Tom nun eine Möglichkeit hat, gefördert zu werden und den Vormittag beschäftigt ist.
  • Unwissenheit: Viele Eltern, so auch Toms Großmutter, wünschen dem Kind gar nichts Schlechtes. Sie wissen nur einfach nicht, dass es Fördermöglichkeiten gibt.
  • Ärztliche Versorgung/Geldmangel:Auf dem Weg zu meiner Schule oder in die Stadt, sehe ich Menschen, die wegen ihrer körperlichen Einschränkungen nicht arbeiten können und deshalb betteln müssen.Teilweise sind es kleine Geburtsfehler, wie Klumpfüße, die durch eine Operation im Anfangsstadium leicht behandelbar wären. Dafür fehlt jedoch üblicherweise das Geld, oder es behindert die Person eben erst, wenn es bereits zu spät ist. Generell sieht man hier des öfteren Fußfehlstellungen, die in Deutschland sofort behandelt worden wären (Operation, Einlagen), oder auch Menschen mit sechs Fingern oder Zehen. Dies ist zwar keine wirkliche Behinderung, würde in Deutschland jedoch als Schönheitsfehler sofort korrigiert werden. Andere Gründe für die Behinderungen sind auch fehlenden Impfungen. Kinderlähmung spielt  auch eine größere Rolle. Außerdem können unbehandelte Unfälle im Kindesalter zu späteren Einschränkungen führen. Oft fallen Kinder in Feuerstellen oder verletzen sich anderweitig.

Die Behindertenpolitik in Tansania hat keinen so hohen Stellenwert wie in Deutschland. Es gibt erst wenige Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung gefördert werden. Die Aussstattung ist mit der in Deutschland nicht zu vergleichen. Eine Bestandsaufnahme über die Anzahl der behinderten Menschen gibt es nicht.


Zum Glück gibt es aber auch durchaus Positives zu berichten. Ein gutes Beispiel ist meine Schule. Sie ist verhältnismäßig gut ausgestattet, es fehlt momentan leider nur an Schlafplätzen für die neuen Schüler und für mich wäre ein farbiges Klassenzimmer wie wir es in der Grundschule in Deutschland kennen noch sehr schön. Einige Familien von Kindern mit Behinderungen sind sogar extra hier nach Singida gezogen, damit ihr Kind zu Hause wohnen kann und eine Chance auf eine Schulausbildung hat.



Ich hoffe dieses ernste Thema hat Euch etwas zum Nachdenken gebracht. Als ich meinem Lehrer erzählt habe, wie viele Möglichkeiten es für Menschen mit Behinderung in Deutschland gibt, meinte er wie glücklich wir uns schätzen können. Es ist ihm ein Anliegen, dass man immer weiter daran arbeiten muss, den Menschen mit Behinderung ein gutes Leben zu ermöglichen. Hier in Tansania sei es noch viel mehr Arbeit, doch generell kann man überall auf der Welt noch mehr tun.


Diese Erfahrung hat mich noch mal darin bestärkt, nach meinem Jahr in Tansania eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin zu machen. Ich freue mich auf meine Ausbildung in Hannover.


Zum Schluss möchte ich noch einmal kurz auf einen weiteren Freiwilligen in Uganda hinweisen. Er ist vor einiger Zeit auf eine Gehörlosenschule gestoßen, welche sehr schlecht ausgestattet ist, da sie kaum unterstützt wird. Er hat sich nun näher mit den einzelnen Schicksalen der Kinder befasst und versucht ihnen in der Schule bessere Möglichkeiten zu bieten. Auf der Website https://schoolforthedeaf.wixsite.com/help stellt er die Schule unter anderem mit einem sehr aufschlussreichen und emotionalen Video vor und bittet um Spenden. Mit den bereits eingegangenen Spenden hat er nun die Möglichkeit mit dem Ausbau des Essenssaals zu beginnen. 


Bis bald

Eure Kristin

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